Nach dem Powerman im vergangenen Sommer folgt die 100-Kilometer-Eishölle
Der Salchinger Florian Zimmermann liebt es extrem. Nach seinem Powerman im August, den er coronabedingt in Eigenregie unternahm, begab er sich nun fast genau ein halbes Jahr später erneut auf eine Langdistanz.
Vorbild war der 100-Kilometer-Rucksacklauf in Hinterzarten im Schwarzwald – das nach Aussage des Veranstalters härteste Langlaufrennen in Mitteleuropa. Im Zuge der zweiten Corona-Welle musste jedoch auch dieses Rennen abgesagt werden. Kein Grund für Zimmermann, es nicht doch in Angriff zu nehmen, schließlich hatte er im Sommer bereits den längsten Duathlon der Welt vor der Haustüre absolviert.
Zwischen seinem damaligen Vorhaben und diesem lagen aber nicht nur ein halbes Jahr, sondern sage und schreibe 42 Grad Temperaturunterschied. Denn, als er sich am Morgen des Rosenmontags auf der gut präparierten Langlaufloipe am Hirschenstein die Bretter, die für manchen Sportler die Welt bedeuten, unter die Füße schnallte, zeigte das Thermometer frostige 12 Grad minus an. Mit 100 Kilometern war die Strecke 62 Kilometer kürzer als der letztjährig absolvierte Powerman, jedoch bestand die Herausforderung neben Distanz und Kälte in 1 800 Höhenmetern, die überwunden werden mussten.
Um Punkt 8 Uhr startete der ambitionierte Athlet auf einer Höhenlage von 916 bis 1064 Meter (ü. N. N). Zwar hatte Zimmermann die Strecke bereits des Öfteren wie viele Freizeitsportler durchfahren, jedoch waren es bislang Distanzen von maximal 46 Kilometern und nun wollte er eine mehr als doppelt so lange Strecke absolvieren.
Zehn Minuten für den ersten Anstieg
Den ersten Anstieg hatte Zimmermann wie gewohnt in zehn Minuten hinter sich gebracht und auch die ersten 50 Kilometer meisterte er reibungslos. Zeitweise konnte er sogar die schöne Piste und die ruhige Waldidylle einfach nur genießen. Der Ausdauersportler wusste aber, dass früher oder später der Mann mit dem Hammer kommen würde.
Kurz vor Kilometer 60 plante er deshalb einen kurzen Verpflegungsstopp in seiner eigens konzipierten Wechselzone ein. Obwohl Zimmermann den Wechsel so kurz wie möglich hielt, schwollen seine Finger sofort aufgrund der kalten Außenbedingungen an und begannen höllisch zu schmerzen. Erst nach ungefähr drei Langlaufkilometern ließen die stechenden Schmerzen nach und die Wärme konnte wieder zu den Fingern durchdringen.
Langsam bemerkte man auch den prophezeiten Wetterumschwung von anfangs blauem strahlenden Himmel zu immer mehr verdichtender Bewölkung. Zimmermann war nun bei Kilometer 72 angelangt und da kamen sie, die ersten Anzeichen, dass der Hammer schon bedrohlich über ihm schwingt. Denn plötzlich musste er gegen die zunehmenden Verhärtungen und das zugleich pochende Stechen seiner beiden Oberschenkel ankämpfen. Aus Erfahrung erkannte er den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Flüssigkeitsmangel und versuchte ihn mit einigen zugegebenermaßen eisigen Tropfen seiner mitgeführten Trinkflasche auszugleichen.
In keinster Weise gestärkt aber doch gekräftigt ging es weiter. Ab diesem Zeitpunkt – das wusste der Extremsportler – blieb ihm nur noch seine mentale Stärke und so motivierte er sich selbst. „Es ist nur noch ein Halbmarathon zu bewältigen“, sagte er sich beständig. Einen solchen hatte er schon des Öfteren gemeistert, das sollte auch jetzt auf Langlaufskiern, selbst in einer derartigen Eishölle, zu schaffen sein.
Die Schmerzen waren plötzlich weg
Aufgeben stand definitiv nicht auf seiner Liste, das stand es noch nie. Zimmermann wollte die 100 Kilometer auf jeden Fall packen. Jeder weitere Anstieg schmerzte nur noch in den Oberschenkeln, die Sehnen der Oberkörpermuskulatur stachen unaufhörlich weiter. Doch plötzlich bei Kilometer 95 nahm Zimmermann einen Umschwung wahr: Die Schmerzen schienen auf einmal weg, dafür durchlief er ein Auf und Ab von Hitze- und Kältewallungen, wie er es noch nie zuvor erlebt hatte.
Kein Wunder, dass bei dem Rennen im Schwarzwald meist nur 60 Prozent das Ziel erreichen! Nichtsdestotrotz wollte Zimmermann es schaffen. Er wollte, dass es endlich vorbei ist. Noch fünf Kilometer. Er steigerte seine Geschwindigkeit noch einmal. Die letzten Anstiege. Aus den wenigen Kilometern wurden wenige Meter bis zum ersehnten Ziel. Endlich: Nach sechs Stunden und 17 Minuten und mit insgesamt nur 0,75 Liter Flüssigkeitsversorgung hatte er seine 100 Kilometer geknackt. Auch dieses Unterfangen und die dabei erlebten Emotionen, die sich kaum in Worte fassen lassen, wird Zimmermann niemals vergessen. Aber auch das nächste Extrem hat der Athlet bereits vor Augen. Im März wird er nämlich zum ersten Mal Vater.
Quelle: Myriam Wankerl/Straubinger Tagblatt